Achtung! Coronavirus - Lizenz zur Massenüberwachung?!

In Österreich, Italien und Deutschland werden Menschen von jeweiligen Telekommunikationsanbietern überwacht, in der Schweiz wird dies nun diskutiert. Ist das Handy-Tracking eine sinnvolle Lösung zur Eindämmung des Coronavirus, oder wird dem Staat ein mächtiges Massenüberwachungs-Tool zu Füssen gelegt?

Wir sollten den grossen deutschen Telekommunikationsanbieter für deren Hilfsbereitschaft und extreme Hingabe uns gegenüber dankbar sein. Dank ihnen können wir uns nun sicher fühlen und ruhig schlafen, denn sie überwachen unsere anonymisierten Standorte und schicken sie den Behörden zu. Die analysieren dann, ob die Home-Office Strategie funktioniert hat, um uns besser vor dem Coronavirus zu schützen!

Sie merken die Ironie hinter diesen Worten. Ich möchte in diesem Text sehr kritisch auf einige Punkte eingehen, unter anderem die Anonymisierung der Daten und Gesundheit über Datenschutz, da in letzter Zeit einige Zeitungsartikel über das Thema Handy-Tracking geschrieben wurden. Die meisten haben sehr positiv über die massenhafte Datensammlung und Analyse berichtet. Ich möchte hier dennoch die Gegenseite beziehen, da gerade in Deutschland jede Gelegenheit benutzt wird, den Datenschutz so weit wie möglich auszulassen. Ganz egal, ob es darum geht, Gesichtserkennung auf Events und Großstädten oder das massenhafte Speichern von Autokennzeichen auf bestimmten Autobahnstrecken zu rechtfertigen, alles natürlich im Zuge einer Vorratsdatenspeicherung.

Telekom und Vodafone gaben aus heiterem Himmel nun die Daten der Nutzer weiter und zwar ohne deren Einwilligung oder des gleichen. Sie entschieden sich die Daten mit RKI zu teilen und das machten sie dann auch. Eine Auswertung soll den Behörden zeigen, ob sich die Bevölkerung an die Empfehlung hält, Zuhause zu bleiben. Nun sollen diese Daten jedoch "anonymisiert" übermittelt werden.

Ob und wie die Daten anonymisiert werden, ist leider fragwürdig. Dies zeigte eine Analyse der New York Times, in welcher anonymisierte Daten aufbereitet wurden und dabei erschreckende Resultate rausgekommen sind. So konnten einzelne Datenspuren dazugehörigen Personen analysiert werden und so Wohnort und Arbeitsplatz ermittelt werden. Wenn der Standortsignal einer oder mehreren Menschen sich weitgehend unter einer oder zwei Adressen befindet (Zuhause und Büro), kann man Personen identifizieren.

Die Frage, die sich viele Menschen derzeit stellen ist, ob dieses Handeln DSVGO konform ist und ob man nach der Datenschutzgrundverordnung dies Überhaupt darf. Ich fragte den österreichischen Datenschutzbeauftragen, Juristen und Berater Michel Sharbin:

"Ein Profiling anhand von anonymisierten Daten, wenn diese auch im Bündel verarbeitet werden, ist kritisch zu sehen im Sinne der DSGVO. Grundlegend steht es dem Nutzer zwingend zu, einer Datenverarbeitung die Zustimmung zu erteilen oder nicht. Des Weiteren muss die Verarbeitung wie von der DSGVO gefordert gewährleisten, dass die Daten auch technisch einwandfrei anonymisiert sind, eine Pseudonymisierung wird wohl dem Schutz vor Identifizierung nicht genügen. Diese technische einwandfreie Verarbeitung muss entsprechend in einer detaillierten Datenschutz – Folgeabschätzung erfasst werden, wenn ein erhöhtes Risiko besteht, bzw. für die Rechte und Freiheiten der natürlichen Person zur Folge hat. Ein erhöhtes Risiko ist, in Art. 35 DSGVO normiert exemplarisch Art 35 Abs. 3a DSGVO „systematische und umfassende Bewertung persönlicher Aspekte natürlicher Personen, die sich auf automatisierte Verarbeitung einschließlich Profiling gründet und die ihrerseits als Grundlage für Entscheidungen dient, die Rechtswirkung gegenüber natürlichen Personen entfalten oder diese in ähnlich erheblicher Weise beeinträchtigen;“

Das dieser essenzielle Eingriff in die geschützten Rechte der natürlichen Person aus jetziger Sicht, ohne rechtliche Grundlage geschehen ist, ist kritisch zu hinterfragen. Die aktuell beschlossenen Maßnahmen der Regierung, hätten auch diese Maßnahme auf die Tagesordnung bringen können, um für diese Datenverarbeitung einen rechtlichen Rahmen zu schaffen.

In dieser schwierigen Zeit der Krise für Staaten und ihre Bürger gilt es prioritär diese bestmöglich zu bewältigen. Im Nachgang, muss jedenfalls gewährleistet sein und sichergestellt werden, dass nach der Bewältigung dieser lebensbedrohlichen Krise, diese Datenverarbeitung der Staaten ebenso, ein Ende nimmt.

Für gewisse Telekomanbieter wird dies jedoch ein Übergang zum Tagesgeschäft sein, denn sie benützten ja nachweislich bereits zuvor diese Daten und werden diese auch nach der Krise weiterhin nutzen. Es sei sohin jedem Nutzer tunlichst angeraten, wenn er diese Datenverarbeitung nicht wünscht, hierzu ausdrücklich seinen Widerspruch zu dieser Datenverarbeitung zu nutzen und dem jeweiligen Provider zu übermitteln."

Ausserdem stellt sich die Frage, wie lang die Daten verarbeitet und weitergegeben werden. Bis zum Ende der Ausgangssperren? Bis alle Shoppingcenter wieder geöffnet haben? Vielleicht werden die Daten weiterhin gesammelt, um im Falle eines neu auftretenden Virus “vorbereitet” zu sein? Oder nur zur "Sicherheit des Volkes", wie es auch die Stasi gemacht haben mit dem Vorwand für den  "zuverlässigen Schutz der volkseigenen Betriebe, landwirtschaftlichen  Güter und des Verkehrswesens vor verbrecherischen Elementen, feindlichen  Agenten, Diversanten, Saboteuren und Spionen".

Der Zweck "Eindämmung des Virus" heiligt nicht jedes Mittel. Essenzielle Grundrechte dürfen nicht mal nebenbei abgeschafft werden, denn sonst könnte es sein, dass die Regierung die aktuellen oder eventuell kommenden Krisen ausnutzen wird, um weitreichende Überwachungsbefugnisse aufzusetzen. Was wird der nächste Schritt sein? Auf jeder Strasse biometrische Gesichtserkennung? Sozialpunktesystem? Kein Bargeld? Falls dies eintreten sollte, werden Sie in kürzester Zeit erfahren, wie völlige Überwachung und Steuerung einer Gesellschaft aussieht. Dazu schrieb ich bereits ein Eintrag im Blog, den ich verlinken werde. Meiner Meinung nach beschreibt es der EU-Abgeordnete Patrick Breyer sehr gut:

"Die Bewegungen der kompletten Bevölkerung vermeintlich anonymisiert zu überwachen, schützt niemanden vor Infektion, erlaubt aber eine bisher ungekannte Massenüberwachung."

Inwieweit die Daten relevant für die Eindämmung sind, verstehe ich ebenfalls nicht, da es wunderbare Alternativen statt einer Massenüberwachung gibt. Anstatt Menschen zu orten, kann man die Zahl der ärztlich entgangenen Telefonate, inklusive der Menschen in Quarantänen, vor und nach der Empfehlung, zu Hause zu bleiben, abgleichen und schon hätte man eine sehr effektive Statistik ohne Massenüberwachung. Wieso wird Handy-Tracking als die einzige Lösung angesehen?

Coronavirus hin oder her, was wollen Institute und Behörden mit meinen Daten danach anfangen? Wieso sollen sie wissen dürfen, ob ich Zuhause bin oder nicht? Darf ich dann kein Toilettenpapier ohne staatliche Bewilligung kaufen? Entweder bist du zuhause oder du wirst bestraft - Regime: wo ist die Grenze?

Da mir dieses Thema unter den Nägeln brennt, werde ich eine Fortsetzung schreiben.