Wie wird die Überwachung in Zukunft aussehen?

“Wer große Datenmengen mit Supercomputern auswerten kann, verfügt über ungeahnte Macht. Liefern wir uns Staaten, Geheimdiensten und Konzernen aus, wenn wir unsere persönlichen Daten im Netz preisgeben?” Jaron Lanier

Stellen Sie sich vor, Menschen werden aufgrund ihrer durch Big Data vorhergesagten Neigungen beurteilt und nicht aufgrund ihres tatsächlichen Verhaltens. Damit wird die Chance eingeschränkt, sich anders zu verhalten als vorhergesagt und die Zukunft selbst zu gestalten. Klingt schrecklich oder? Doch kann sich der einzelne Mensch gegen die Durchleuchtung zu Wehr setzen? Hat die Privatsphäre überhaupt noch eine Zukunft? Unser komplettes Webverhalten, das Internet der Dinge, moderne Autos, das Banken- und Versicherungswesen, Firmen, Handel und die Infrastruktur im öffentlichen Raum sind nicht mehr zu umgehen – es sei denn, man entzieht sich völlig der Zivilisation.

Ich hab doch nichts zu verbergen! Eine weit verbreitete Reaktion. Das stimmt aber  nicht! Denn natürlich hat jeder etwas zu verbergen, die Leute wissen es nur nicht. Das Hauptproblem liegt vor allem darin, dass Leute sich immer noch nicht darüber bewusst sind, was heute technisch möglich ist und auch schon gemacht wird. Hier ein paar Beispiele:

•         Verbraucherschützer: Höhere Preise beim Einkauf mit dem Smartphone als vom Desktop

•         Hotelportal: Mac-Nutzer schlafen gern teurer

•         Schwanger ohne digitale Spuren

•         Big Data und Kreditvergabe

•         Kreditech: Schufa für die Welt?

Anhand von Daten, die wir tagtäglich im Internet hinterlassen, werden Menschen schon heute diskriminiert. Die digitalen Spuren, die wir heute hinterlassen, machen unser Leben genauer als je zuvor rekonstruierbar.

Mithilfe der Metadaten, die deine Internet- und Telefonprovider  bis zu zehn Wochen lang speichern müssen, können Polizei und Nachrichtendienste Bewegungsprofile anlegen und das soziale Umfeld nachvollziehen. Zehn Wochen sind ein Fortschritt: Anfänglich waren sechs Monate vorgesehen, dass Verfassungsgericht kippte diesen Vorstoß. Unternehmen, die Informationen über deine Apps speichern, haben hingegen mitunter gar keine Löschfristen zu beachten.

Diese Daten erlauben es auszulesen, mit wem du befreundet bist, mit wem du Streit hast, welche Menschen du attraktiv findest und welche heiklen politischen Einstellungen du hast. Das ist alles völlig legal und sogar durch nationales und EU-Recht legitimiert. Den Unternehmen geben wir selbst die Einwilligung, über unsere persönlichen Daten zu verfügen, indem wir den AGBs zustimmen.

Privatsphäre, Big-Data und die Zukunft

Predictive Policing: Dem Verbrechen der Zukunft auf der Spur

Verbrechen verhindern, bevor sie geschehen, Täter fassen, bevor sie eine Tat begangen haben: Das ist die Vision von Predictive Policing, vorausschauender Polizeiarbeit. Algorithmen berechnen Gefahrenzonen und die Wahrscheinlichkeit von Verbrechen — doch ihre Zuverlässigkeit ist umstritten.

In den USA gibt es seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ein verschärftes Sicherheitsdenken. So wurde beispielweise ein Programm entwickelt, das aufgrund von Datenanalysen berechnen kann, wann und wo Verbrechen in Zukunft stattfinden. Auch personenbezogene Daten über ehemalige Strafgefangene könnten in solche Programme eingespeist und analysiert werden.

Was alles mit der Flut an Informationen („Big Data“) heute und in Zukunft getan werden kann, ist unvorstellbar.

Photo by Franki Chamaki / Unsplash

Wir stehen inzwischen unter ständiger Beobachtung - auch wenn wir uns nicht im Internet bewegen. Jede Zahlung mit der Kreditkarte, jede Flugbuchung im Reisebüro, jedes Handy hinterlässt Datenspuren. Auch wenn wir selbst nicht Mitglied bei Facebook sind, weiß Facebook aus den Adressbüchern seiner Mitglieder etwas über uns und kann so auch Profile über die soziale Vernetzung von Menschen anlegen, die gar kein Facebook-Konto haben.

Über eine intelligente Auswertung gigantischer Datenmengen und die Kombination von Daten aus verschiedenen Quellen können weitreichende Schlussfolgerungen gezogen werden. Es lassen sich statistische Trends oder Muster, Gesetzmäßigkeiten oder Korrelationen zwischen einzelnen Merkmalen erkennen.

Auf diese Weise werden beispielweise mit Hilfe von Korrelationen bei der Auswertung von Vergangenheit und Gegenwart Zukunftsprognosen erstellt. Solche Vorhersagen sind aus vielfältigen Gründen äußerst interessant für Unternehmen, Organisationen und Staaten: Mit ihnen lassen sich Gefahren frühzeitig erkennen, Risiken minimieren, Zeit sparen und Gewinne machen. Sie können aber auch dazu dienen, Kontrolle und Macht auszuüben.

Es wird also Nutzen aus Informationen gezogen, die möglicherweise für etwas ganz anderes gesammelt wurden und erst einmal scheinbar wertloses Material waren, bis sie durch Analyse, Verknüpfung oder Reorganisation in wertvolle Daten umgewandelt wurden.18 Die Daten verlieren dabei nicht an Wert und können immer wieder für andere Zwecke wiederverwendet werden.

Das Ende der Privatsphäre? Die Risiken von Big Data

Personenbezogene Daten werden vor allem mit den Methoden Tracking und Scoring ausgewertet. Beide dienen dazu, eine Vorhersage über zukünftiges Verhalten zu ermöglichen, indem Profile einer Person oder einer Gruppe erstellt werden – über Interessen, Konsum, Aufenthaltsorte, Sozialkontakte, Kreditwürdigkeit, Verhalten oder Gesundheit.

Die Vermessung des Menschen - Profilbildung und Klassifizierung

Auf der Basis unserer Daten werden wir also vermessen, bewertet und klassifiziert oder es werden ganze Profile von uns erstellt. Man kann uns in gute und schlechte Kunden einteilen, uns individuelle Preise oder Prämien abverlangen, uns für kreditwürdig oder nicht halten, unsere Bedürfnisse und Verhaltensweisen prognostizieren und uns eine Versicherung verweigern oder zu schlechteren Konditionen anbieten. Darüber hinaus lassen sich aus unseren Daten auch politische und religiöse Einstellungen, gesundheitliche Verhältnisse, die sexuelle Ausrichtung, selbst Gefühle und Stimmungen ableiten. Daraus ergeben sich für die Unternehmen und Organisationen, die diese Daten besitzen, umfassende Möglichkeiten zur Manipulation, Diskriminierung, sozialen Kontrolle und Überwachung. Für uns selbst bedeutet das im Umkehrschluss eine Einschränkung unserer Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Was, wenn ein potenzieller Arbeitgeber sich nicht mehr die Mühe macht, jemanden persönlich kennenzulernen, weil er über Facebook scheinbar schon alles für ihn Relevante über die Person erfahren hat? Dass viele Arbeitgeber sich die Facebook-Profile ihrer Bewerber anschauen, ist nicht neu. Nun hat eine Studie23 jedoch gezeigt, dass die aus Facebook-Profilen gewonnenen Daten die Leistungsfähigkeit von Bewerbern präziser vorhersagen konnten als klassische Eignungs-Tests. Genauso ist denkbar, dass Tweets einem Personalchef Einblick in die Persönlichkeit des Bewerbers geben: Anhand dessen Ausdrucksweise, der Art der Ansprache und der Themen kann analysiert werden, ob er labil, extrovertiert, offen für Neues, verträglich oder gewissenhaft ist. Kommt es dann noch auf den persönlichen Eindruck an?

Viele von uns tragen selbst dazu bei, dass Profilbildung und Klassifizierung immer perfekter werden. Sie geben freiwillig wertvolle und sehr persönliche Daten von sich preis: ihre Fitness- und Vitaldaten, wie zurückgelegte Schritte oder Entfernungen, Geschwindigkeit, Herzfrequenz, Körpertemperatur, Kalorienverbrauch, Ruhephasen etc. Mit Sensoren ausgestattete Armbänder oder Schuhe, sogenannte Fitness-Tracker, und die dazu passenden Apps für das Smartphone sind für viele Hobby-Sportler Teil ihres täglichen Lebens geworden. Vielen macht es Spaß, sich so mit anderen zu messen und Resonanz für die eigenen Aktivitäten von ihren Wettbewerbern oder Freunden zu bekommen. Sie fin- den es nicht ungewöhnlich, ihre sportlichen Ergebnisse mit dem Rest der Welt zu teilen. Die aufgezeichneten Daten könnten aber auch unser gesamtes Gesundheitssystem verändern – wenn die gesundheitliche Dauererhebung künftig zur Norm werden würde, um die Krankenkassen zu entlasten.

Das Auto der Zukunft - Big Brother fährt mit

Selbstfahrende Autos: Die Datenkraken der Zukunft? Mit der Vernetzung erzeugen Fahrzeuge immer mehr Daten. Doch wem gehören sie und wie sicher sind sie vor Hackern?

Photo by Markus Spiske / Unsplash

Autonome Systeme müssen mit Daten gefüttert werden, damit sie lernen und sich verbessern können. Dies ist eines der Hauptinteressen des Verantwortlichen. Dem gegenüber steht das Recht auf Datenschutz der Nutzer eines selbstfahrenden Autos und anderer Verkehrsteilnehmer.

Diese Daten werden von autonome Autos gesammelt:

•        Fahrzeugdaten: v.a. technische Daten (z.B. Batteriestand oder Zustand der Bremsen).

•        Daten zur Außenwelt des Fahrzeugs: Registriert wird die komplette Umgebung, z.B. Straßenzüge, Passanten, Radfahrer, Kennzeichen anderer Autos und Häuser. Die Umfelderfassung des Fahrzeugs funktioniert über diverse technische Instrumente, wie Kameras, Lidar (Abstands- und Geschwindigkeitsmesser), Radar, Ultraschallsensoren, Hodometer (mechanischer Wegmesser), Drehratensensoren und GPS.

•        Benutzer- / Passagierdaten: Die Bedienung eines autonomen Autos soll in vielen Konzepten nur über die Anmeldung mit einem Benutzerkonto möglich sein, dadurch werden Daten wie Log-Files, E-Mail-Adresse, Bewegungsprofil, Adressbuch etc. generiert bzw. übertragen – es fallen also auch personenbezogene Daten an

Totale Überwachung der Autofahrer durch “Section Control”

Schon mal von Section Control gehört? Blitzen war einmal: Hier startet die neue Totalüberwachung für Raser. Dabei sollen neben Kennzeichen auch Fahrer fotografiert werden. Ein neues niedersächsisches Polizeigesetz schafft sogar gesetzliche Grundlage dafür.

Gesichtserkennung - der Einstieg in totale Überwachung

Ob im Park, an der U-Bahn-Station oder am Bahnhof: An vielen öffentlichen Orten stehen heute Kameras. Bisher brauchte es Menschen, um die Bilder auszuwerten. Mit Gesichtserkennungssystemen ist es hingegen möglich, Aufnahmen automatisiert zu verarbeiten und einzelne Personen zu identifizieren.

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Mehr Sicherheit oder mehr Überwachung?

"Der flächendeckende Einsatz intelligenter Videoüberwachung zur Erkennung von Gesichtern wäre ein schwerer Schlag für die Bürgerrechte in Deutschland", warnen die beiden FDP-Bundesvorstandsmitlieder in einem Gastbeitrag für Focus-Online.

Überwachung per Gesichtserkennung: Ende der Privatsphäre?

Die New York Times schreibt schon vom „Ende der Privatsphäre”. Und das steckt dahinter: Private Facebook-Fotos, intime Details, können sich plötzlich auf den Computern US-amerikanischer Polizeibehörden wiederfinden. Falls Sie das für ein völlig ausgeschlossenes Horrorszenario halten, liegen Sie allerdings falsch. Denn genau das ist passiert. Das US-Unternehmen Clearview hat Milliarden an Fotos aus dem Internet in einer Datenbank gesammelt und diese an Polizeibehörden verkauft; darunter auch Fotos aus Europa und Deutschland

All diese Szenarien sind schon Teil unserer Welt! Meist werden diese Systeme jedoch im Hintergrund angespielt und sind nicht in den Schlagzeilen zu sehen. Es ist sehr beunruhigend, aber es gibt Hoffnung! Die Kampagne gegen Gesichtserkennung in den USA hat bereits eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. Einige Großstädte wie San Fransisco und Oakland haben die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum verboten. Der Bundesstaat Massachusetts berät das Verbot, das mehrere Gemeinden dort bereits beschlossen haben, auf den gesamten Staat auszuweiten. Microsoft, Amazon und IBM haben aufgrund der Black Lives Matter-Proteste der US-Polizei den Zugang zu ihren Gesichtserkennungs-Tools zurückgenommen.

Dieses Engagement brauchen wir auch in Deutschland und Europa, um Gesichtserkennung bei uns auszumerzen! In der Initiative Gesichtserkennung Stoppen! haben sich unter anderem Digitale Gesellschaft e.V., D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt und der Chaos Computer Club zusammengeschlossen und arbeiten für ein Verbot von Gesichtserkennung. Unterstützen Sie die Initiative, damit wir frei von Datensammlern leben können!