Facebook-Whistleblowerin sagt vor US-Kongress aus
Die Ex-Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen hat vor einem Ausschuss des US-Senats ausgesagt. Facebook verberge wichtige Informationen vor der Öffentlichkeit, kritisierte sie. Ihr Ziel: Facebook und Instagram zu entlarven. Ihre Waffen sind interne Studien der Unternehmen und das eigene Erleben als ehemalige Beschäftigte. Facebook täusche gezielt die Öffentlichkeit, sagt die Ex-Mitarbeiterin.
Frances Haugen leitete bei Facebook die Abteilung „Civic Integrity“, die sich um Beeinträchtigungen der gesellschaftlichen Stabilität kümmern sollte. Die 37-jährige Datenwissenschaftlerin aus Iowa hat einen Abschluss in „Computer Engineering“ sowie einen MBA der Harvard Business School. Die Abteilung „Civic Integrity“ wurde kurz nach den Wahlen im vergangenen Jahr wieder aufgelöst. Als Produktmanagerin bei Facebook hatte Frances versucht zwei Jahre lang, Wahlmanipulation auf dem Online-Dienst einzudämmen. Allerdings habe ihr Team zu wenige Ressourcen zur Verfügung gehabt, um ernsthaft etwas auszurichten, im Mai habe sie deshalb gekündigt. Facebook sei viel mehr an Wachstum und „user engagement“ interessiert, als die Erkenntnisse eigener Forschungsteams bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen, sagte Haugen.
Auch der deutsche Top-Anwalt und Aktivist für Meinungsfreiheit Joachim Steinhöfel (59) erhebt schwere Vorwürfe gegen Facebook – und die Bundesregierung.
„Die digitale Massenlöschung freier Rede ist tägliche Realität“, so Steinhöfel zu BILD. „Und dafür ist neben Facebook auch das Versagen der Politik verantwortlich, die ‚Hass und Hetze‘ verfolgen will, aber nichts für die Meinungsfreiheit tut.“
Anwalt Steinhöfel ist fassungslos: Facebook „entdeckt Hass, wo kein Hass ist“. Sein Vorwurf: Facebook diskriminiere politische Meinungen, die dem Mega-Konzern (über 3,5 Milliarden Nutzer pro Tag) nicht passen!
Zurück zu den Enthüllungen von Frances Haugen
Zu diesen Erkenntnissen zählt etwa das Wissen, dass eine Änderung des News-Feed-Algorithmus die Stimmung auf dem sozialen Netzwerk hitziger statt friedlicher gemacht hat, dass dort Menschen- und Organhandel floriert und dass Facebook-eigene Mechanismen zur Impfskepsis beigetragen haben.
Wellen schlug auch die Veröffentlichung eines internen Berichts über den Foto- und Videodienst Instagram. Demnach trage dieser bei vielen Teenagern und insbesondere Mädchen dazu bei, Probleme mit dem eigenen Körperbild zu entwickeln, und schade ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit. Die Enthüllung hat vermutlich dazu beigetragen, dass Facebook kürzlich den geplanten Start von Instagram Kids vorerst abgeblasen hat.
Das Unternehmen weist zwar die Vorwürfe der Whistleblowerin zurück. In einer ausführlichen Stellungnahme weist es etwa darauf hin, in der Vergangenheit „signifikante Verbesserungen“ bei der Eindämmung von Desinformation und schädlichen Inhalten erreicht zu haben.
Doch war der Ausfall am 05.10.2021 für 7 Stunden ein Zufall oder wurden Beweise entfernt?
Bewusste Täuschung der Öffentlichkeit
Schon vor Jahren hatte Facebook eingestanden, beim Völkermord an der muslimischen Minderheit der Rohingya in Myanmar eine Rolle gespielt zu haben. Versuche, ähnliche Gewaltexzesse zu verhindern, blieben jedoch oft halbherzig, kritisiert die Whistleblowerin Haugen. So sei nach der US-Wahl 2020 das „Civic Integrity“-Team vorzeitig aufgelöst worden – nur wenige Monate später stürmten Fans des Ex-Präsidenten Donald Trump gewaltsam das Kapitol, um die Auszählung der Wahl zu verhindern.
Obwohl Facebook nach aussen immer wieder betont, auf seinem Dienst umfassend aufzuräumen, zeigen interne Studien indes ein anderes Bild. Man gehe bloss gegen drei bis fünf Prozent an Hassrede vor und nur gegen sechs Zehntel eines Prozentpunktes an Gewalt und Aufhetzung, zitiert Haugen im Gespräch mit der TV-Sendung 60 Minutes aus einer der Studien.
Aber das ist nicht alles. Drogenkartelle suchen über Facebook Auftragskiller, hier brodeln Hass und Lügen und die Erosion des politischen Diskurses: Die Whistleblowerin Frances Haugen kritisiert das Konzern, der genau weiss, was er anrichtet - und trotzdem immer weitermacht.
Damit täusche Facebook nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch seine Anleger, sagt Haugen. Am Dienstagvormittag, den 05. Oktober hat sie an einer Anhörung im US-Kongress teilgenommen. Zudem hat sie Beschwerde bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC (Securities and Exchange Commission) eingelegt. Damit greifen laut Haugen bestimmte Schutzvorkehrungen für Whistleblower:innen. Für Facebook, an der Börse derzeit mit rund einer Billion US-Dollar bewertet, könnte es schmerzhaft werden.