Gesichtserkennung auf Demos: Warum wir alle aufpassen sollten
Stell dir vor, du gehst auf eine Demo. Du hast ein Plakat dabei, vielleicht trägst du eine Maske, einfach um anonym zu bleiben. Du willst deine Meinung sagen, friedlich protestieren, ein Zeichen setzen. Und während du da stehst, fliegen über dir Drohnen oder Kameras filmen jede Bewegung. Was du nicht weisst: Dein Gesicht wird gerade automatisch erkannt, analysiert, gespeichert – und später vielleicht gegen dich verwendet.
Klingt nach Science-Fiction? Leider nicht. Das ist Realität – und zwar weltweit. Ein Bericht von netzpolitik.org zeigt ziemlich eindrücklich, wie krass sich Gesichtserkennung inzwischen gegen Demonstrierende richtet.
Überwachung statt Demokratie?
Laut Amnesty International nutzen inzwischen mindestens 78 Länder Gesichtserkennung, um Menschen auf Protesten zu identifizieren. Und das ist kein reines „Verbrechen verhindern“-Ding – es geht oft ganz klar darum, politisch aktive Menschen einzuschüchtern.
In Indien werden etwa Drohnen über Demos geschickt, um Teilnehmerinnen zu filmen – wer erkannt wird, kann seinen Pass verlieren. Im Iran reicht ein erfasstes Video ohne Kopftuch und schon bekommst du eine bedrohliche SMS aufs Handy. In den USA jagen private Gruppen pro-palästinensische Aktivistinnen mithilfe von Gesichtserkennung – mit dem Ziel, sie aus dem Land zu drängen.
Das ist keine Theorie mehr, das passiert gerade. Und das sollte uns alle aufhorchen lassen.
Auch bei uns: Deutschland ist kein unbeschriebenes Blatt
Und wer jetzt denkt: „Na gut, das ist halt im Ausland so, bei uns in Europa ist es besser“ – nicht ganz. Auch in Deutschland kommt Gesichtserkennung auf Demos zum Einsatz. Nach den G20-Protesten in Hamburg hat das Bundeskriminalamt z. B. Bilder von Überwachungskameras mit einer gigantischen Datenbank verglichen. Da sind Millionen von Porträtfotos drin – viele davon von Menschen, die Asylanträge gestellt haben oder einmal erkennungsdienstlich behandelt wurden. Ohne, dass sie je zugestimmt hätten, auf einer Demo mit so einer Datenbank abgeglichen zu werden.
Die grosse Frage: Trauen wir uns noch?
Was mich daran so beschäftigt, ist gar nicht nur die Technik an sich – sondern, wie sie wirkt. Wenn Menschen überlegen müssen, ob sie überhaupt noch auf eine Demo gehen, weil sie Angst haben, erkannt zu werden, dann verlieren wir etwas ganz Zentrales: unsere Freiheit, unsere Stimme zu erheben.
Christoffer Horlitz von Amnesty sagt dazu: „Wenn Menschen Angst haben, ihr Gesicht bei einer Demonstration zu zeigen, weil sie befürchten, verfolgt zu werden, dann läuft etwas gewaltig schief.“ Und da hat er recht.