Lebensmitteldiscounter Aldi in London: Die Schattenseite der Digitalisierung
Dass die Digitalisierung längst alle Lebensbereiche durchdrungen hat, ist jedem klar, der nur einmal am Tag das Smartphone zückt. Technischer Fortschritt ging in der Vergangenheit stets mit einem Zuwachs an Wohlstand einher.
Doch seit einigen Jahren betrachten aufmerksame Beobachter die Entwicklung in diesem Bereich mit Sorge. Auf vielen Ebenen mehren sich die Anzeichen, dass die Gratwanderung zwischen dem Grad der Technologisierung und digitalem Überwachungsstaat sehr schmal ist. Ein Beispiel für diese Gratwanderung lieferte jetzt der deutsche Lebensmitteldiscounter Aldi mit der Eröffnung einer QR-Code-Filiale in London.
Abschied vom barrierefreien Einkauf: Zugangsbeschränkungen bei Aldi
Ein Blick über den Ärmelkanal nach Grossbritannien öffnet den Blick in eine digitale Zukunft, in der barrierefreies Einkaufen auf lange Sicht nicht mehr möglich sein wird. Auf YouTube kursiert seit Anfang Juni ein Video, das eine „Aldi Shop & Go“ Filiale im Londoner Stadtteil Greenwich zeigt. In diesen Filialen sitzt kein menschliches Personal mehr an der Kasse, sondern die Bezahlung erfolgt automatisch per Abbuchung vom Konto oder Guthaben in der App.
So weit, so gut. Wer es eilig und nicht genügend Bargeld dabei hat, kommt auf diese Weise schnell an Lebensmittel. Doch die Aldi-Filiale in London setzt fragwürdige, neue Massstäbe. Bevor ein Kunde Zugang zu Wurst, Brötchen, Käse und Gemüse erhält, muss er einen QR-Code scannen. Erst nachdem dieser vom System akzeptiert wurde, öffnen sich die Schranken und die Filiale kann betreten werden. Setzt sich das System durch, läutet der deutsche Discounter den Abschied vom barrierefreien Einkauf und das Zeitalter des gläsernen Kunden ein.
QR-Code statt Strichcode: Das Pilotprojekt läuft bereits
Die Ablösung des altbekannten Strichcodes auf Produkten in Supermärkten durch einen QR-Code ist das Ziel des Unternehmens „GS1 Germany“. Dazu hat die Firma ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, das in 20 Ländern weltweit getestet wird. In Deutschland nimmt der Discounter Aldi an dem Feldversuch teil.
Die Argumentation des Unternehmens für die Umstellung folgt dem altbekannten Muster, dass dieses Modell den Verbrauchern nur Vorteile bringt. Demnach sind damit alle Informationen rund um das Produkt wie Hersteller, Lieferketten und Haltbarkeitsdatum digital verfügbar. Das sind sie jetzt allerdings auch schon, aber in analoger Form als Aufdruck auf dem Produkt. Ein Mehrwert für den Verbraucher existiert nicht. Flächendeckend soll der QR-Code für Lebensmittel laut Unternehmensangaben ab dem Jahr 2027 eingeführt werden.
Big Brother im Lebensmitteldiscounter
„Aldi Shop & Go“ in London weist die Richtung, in die der Zug der Digitalisierung fährt. Jeder Kunde wird beim Betreten des Ladens durch das Scannen des QR-Codes identifiziert. Anonymer Einkauf war gestern. Während des Shoppens müssen alle Produkte mit dem QR-Code gescannt werden und landen anschliessend in einem digitalen Warenkorb. Bezahlt wird bargeldlos nach einem nochmaligen Scan des QR-Codes.
Big Brother ist im Lebensmitteldiscounter dann Realität, denn Aldi weiss genau, wer, wann, wo, was zu welchem Preis gekauft hat. Ob die dann folgenden üblichen Beteuerungen, dass die Daten nach dem Bezahlen sofort gelöscht, niemals zusammengeführt und auf keinen Fall ausgewertet werden, glaubhaft sind, darf jeder Kunde selbst beurteilen.
Wer nicht mitmacht, bleibt vor der Tür
Neben datenschutzrelevanten Fragen wirft das Projekt von Aldi auch ethische und rechtliche Fragen auf. Was passiert, wenn sich Menschen weigern, die App herunterzuladen? Bleibt diesen Personen der freie Zugang zu Lebensmitteln kategorisch versperrt? Die Schattenseiten der Digitalisierung zeigen sich immer deutlicher.